|
Freitag, 20.03.2009
Kurz vor sechs Uhr geht meine erste Nacht auf einem fahrenden Schiff zu Ende. Viel habe ich davon nicht mitbekommen. Ich gewöhne mich langsam an die Matratze aus Beton. Es beginnt zu dämmern, als ich es mir mit meinem Kaffee auf dem Balkon gemütlich mache. Das Schiff legt an unserem letzten Ausflugspunkt während der Kreuzfahrt an. Fengdu, die Geisterstadt. Es wird Zeit zum Frühstücken.
Pünktlich 8:30Uhr heißt es von Bord zu gehen. Die ersten 100 Stufen haben wir geschafft, als wir an den kleinen Elektrobussen ankommen, welche uns zum Eingang der Geisterstadt bringen. Hier teilt sich die Gruppe. Einige Leute nehmen den Sessellift, die Mehrheit aber mutig die Treppen. Bis ganz oben sollen es 500 sein. Auf geht's. Durch zahllose Tore kommen wir zügig voran. Rechts von uns fährt der Sessellift. Die Treppen sind immer wieder durch Wege, kleine Parkanlagen und Tempel unterbrochen. Wir sind an der oberen Station des Aufzugs.
Unsere Reiseleiterin Ji erzählt uns einiges über die Geisterstadt. Vielleicht ist der Begriff Geisterstadt etwas verwirrend. Besser wäre Stadt der Toten. Jede Seele, die hier herauf kommt, muss drei Prüfungen bestehen, um nicht in der Hölle zu landen. Mit neun Schritten über eine Brücke gehen, mit dem richtigen Fuß zuerst einen Tempel betreten und drei Sekunden auf dem linken Bein stehen und dabei den Kaisertempel anschauen. Klingt einfacher, als es ist. Die komplette Anlage ist eine Rekonstruktion. Das Original fiel der Kulturrevolution in China zum Opfer. Nur einige wenige Tempel sind noch erhalten geblieben. Es wird überall gebaut und restauriert. Wir sind am Kaisertempel angekommen. Mit 288m Höhe der höchste Punkt der gesamten Anlage. Hier steht auch eine sehr schöne Pagode.
Die Gruppe löst sich hier auf. Den Rückweg zum E-Bus kann jeder individuell gestalten. Mit Sessellift oder zu Fuß. Ich laufe. Es sind jetzt wenige Leute unterwegs, so dass doch noch ein paar gute Fotos zustande kommen. Vor allem vom Jadekaiser, dessen Kopf ein Hotel werden soll. Allerdings ist im Moment Baustopp. Ja, auch in China ist Geld nicht im Überfluss vorhanden. Unten angekommen, landen wir direkt in einem Markt. Alle wollen wieder "very cheap" verkaufen. Es tut mir sehr leid, aber ich kann nicht ganz China finanzieren! Am Treffpunkt wird gezählt. Wer will, kann sich fahren lassen. Der Rest geht zu Fuß zum Schiff.
Kurz vor dem Anleger gibt es noch einen kleinen Trödelladen. Ich kaufe mir ein paar Bier. Der Nachmittag wird ohne Programm sehr ungewohnt lang. Auf dem MS Yangtze I die übliche Begrüßung. Waschlappen und eine Tasse Tee. In der Kabine, die glücklicherweise gut klimatisiert ist, ruhe ich mich von den 1000 Stufen aus (ich habe sie nicht gezählt, aber grob geschätzt könnte es hinkommen). Es ist Wahnsinn, wie die Zeit rast. Drei Stunden hat der Ausflug gedauert. Mir kam es vor wie 30 Minuten. Erholung auf dem Balkon, es ist sehr warm. Das hat natürlich zur Folge, dass es auch wieder diesig ist. Wir warten auf das Mittagessen.
Nach dem Essen sind zwei Schiffsrundgänge geplant. Der erste führt uns in eine Luxuskabine. Naja, unter Luxus verstehe ich etwas anderes. Es ist geräumiger und im Bad gibt es eine Badewanne. Ach ja, einen LCD-TV auch noch. Und die Blumen sind echt. Aber dafür 2000 RMB für vier Nächte extra ausgeben? Die zweite Tour ist weitaus interessanter. Es geht auf die Brücke. Diese ist mit modernster Technik ausgerüstet. Radar, Echolot und GPS. Der Kapitän ist nicht anwesend. Er kümmert sich nur um die wichtigen Sachen auf der Brücke, wie das Anlegen und Ablegen und die Fahrt durch die Schleusen. Den Rest der Zeit verbringt er mit Empfängen und Galadinners :-) Die reichliche Freizeit am Nachmittag ist ungewohnt, aber auch entspannend und dringend notwendig. Das Programm für die nächsten Tage lässt keine Ruhe erwarten.
Es geht auf 18:30Uhr. Zeit für das Abschiedsbankett. Die Mädels vom Tischservice haben heute Trachten an. Sieht niedlich aus. Auch die deutsche Reisegruppe hat sich schmuck gemacht. Die Amerikaner und Schotten eher nicht. Die Kapitäne kommen. Und die Übersetzer. Es wird eine Ansprache gehalten und danach mit furchtbar süßem Rotwein angestoßen. Das wird Kopfschmerzen geben! Das Essen gibt es heute nicht in Buffetform. Es wird an den Tisch gebracht und auf den Drehtellern verteilt. Die Auswahl ist wieder hervorragend, der Geschmack gut. Wir haben in China aber schon besser gegessen. Dann werden auch noch vier Geburtstage verkündet und gefeiert. Nach 1,5 Stunden sind alle satt und auf dem Weg, die Lokalität zu wechseln.
Der Rest des Abends findet in der vierten Etage statt.
Abschiedsabend in der Bar. Alle Tische sind schon wieder belegt. Aber wir haben Glück, da für uns zwei Plätze freigehalten wurden. Es geht auch pünktlich mit einem chinesischem Volkstanz los. Anschließend sind die einzelnen Reisegruppen dran, einen Beitrag zum Kulturprogramm zu leisten. Die Amerikaner beginnen. Ist gar nicht mal so übel. Auch die Schotten und Chinesen geben sich viel Mühe und haben damit mehr oder weniger Erfolg. Dann ist unser Chor an der Reihe. "Muss i denn", ein deutsches Volkslied. Kling schön, aber im Publikum ruft das noch keine Begeisterungsstürme hervor. Als Bo aber dann einen Kanon anstimmt, der auf Chinesisch vorgetragen wird, erreicht die Stimmung im Saal ihren Höhepunkt. Die Chinesen singen alle lauthals mit. Sogar die Amis versuchen, mitzuwirken. Das der Kanon eigentlich nicht als Kanon vorgetragen wird, stört niemanden. Unser Chor verlässt die Bühne. Das internationale Kulturprogramm wird immer wieder mit chinesischen Tänzen und Darbietungen aufgelockert.
Ein wirklich schöner Abend, der gegen halb elf sein Ende findet. Ich muss zur Rezeption. Kasse machen. Die Schlange ist schon ganz schön lang und so richtig vorwärts geht es auch nicht. Naja, wenn alle Gäste auf einmal bezahlen müssen, ist das auch nicht leicht. Gegen 23 Uhr bin ich mein Geld los. Zeit für die Nachtruhe.
|
*PLATZHALTER* |